Do it yourself. Das ist doch angesagt. Aber Glasuren selber machen? Wie geht das? Wieviel Arbeit ist das? Muss ich dafür ein Chemie-Genie sein? Kann ich das?
Die gute Nachricht: ja das kannst Du lernen.
Die schlechte Nachricht: es dauert.
Dass es sofort klappt, ist genauso unwahrscheinlich wie "hey heute basteln wir uns ein Auto".
Im Ernst, den Arbeitsaufwand sehe ich ähnlich wie beim Aufziehen eines Gemüsegartens. Vom ersten Säen bis zur Ernte deines Gemüses sind einige Arbeitsschritte nötig.
Beim Glasuren entwickeln ist ein gewisses Maß "Fleißarbeit" (das ist ein altmodisches Wort, trifft aber den Kern) nötig. Oder anders gesagt, wenn Du nicht wirklich scharf auf eigene Glasuren bist, wird das auch nichts.
So viel zur Motivation :-)
Eigene Glasuren machen deine Keramik unverwechselbar.
Die Glasur ist ein wichtiges Gestaltungselement. Mit der Glasur krönst Du deine Keramiken oder machst sie zunichte.
So ist es verständlich, dass professionelle Keramiker ihre Glasurrezepte geheim halten, sie sind schließlich Teil ihres Betriebskapitals.
Jetzt aber mal los.
Womit hast Du es zu tun?
Glasuren bestehen aus mehreren "Pulvern", die nach REZEPT zusammengewogen werden.
Danach versetzt man sie mit Wasser und siebt sie durch. Im Anschluss findet man die ideale Auftragsstärke heraus. Dazu sind sicherlich mehrere Brände nötig.
Selbst gemachte Glasuren fallen NICHT in die Kategorie "Streichglasuren". Sie sind geeignet, um deine Keramiken darin zu tauchen oder zum Übergießen.
Die Hauptaufgabe bei der ENTWICKLUNG einer Glasur ist die Auswahl geeigneter Rohstoffe und die Feinabstimmung der Gewichtsanteile. Also, wieviel nehme ich wovon?
Dazu kommt das Feintuning des Temperaturverlaufs deines Brennofens.
Dann hast Du noch die Möglichkeit, aus deiner BASISglasur (die z.B. einfach beige oder weiß aussieht) mehrere verschiedenfarbige Variationen zu entwickeln.
Um jetzt mal ganz korrekt zu sein: wir fangen hier nicht bei null oder bei Adam und Eva an.
Wenn Du das willst, studiere Herrn Seger und seine Glasurformeln. Habe ich auch schon gemacht, dafür brauchst Du allerdings sehr viel Zeit.
Wir nehmen ein öffentlich zugängliches Glasurrezept.
Es muss für deine gewählte Brenntemperatur passen.
Es sollte aus nicht zu exotischen Zutaten bestehen.
Wenn die Glasur als "Laufglasur" oder "Kristallglasur" gekennzeichnet ist, lass erst mal die Finger davon.
Erstrebenswert ist eine gut zu verarbeitende BASISGLASUR.
Solch eine Basisglasur kann man dann gut abwandeln.
Bevor Du anfangen kannst:
1. Du musst deine Brenntemperatur kennen und dafür ein geeignetes Rezept finden.
Bei Glasurrezepten steht aber oft keine Temperaturangabe in Grad Celsius, sondern da steht: KEGEL, CONE oder SEGERKEGEL (SK).
Die Bedeutung dieser Begriffe zu kennen, ist ein notwendiger Lernschritt für dich.
Das ist aber leicht zu verstehen, man muss sich dafür nur entsprechende Temperaturtabellen anschauen.
Hier folgt später ein Link zum Artikel: Was sind Segerkegel, Cones?
Inzwischen ein Link zur Firma Carl Jäger
Temperaturen Segerkegel und Ortonkegel
und
ein Link zur Firma ORTON: die erste Spalte ganz links nennt die KegelNUMMER (also die Bezeichnung). In den beiden Spalten LARGE CONES / REGULAR findest Du die dazugehörige Brenntemperatur - nimm die rechte Zahl - das ist die Temperatur, die bei einer Aufheizgeschwindigkeit von 150°C pro Stunde den Kegel zum Schmelzen / Umbiegen gebracht hat.
2. Du musst die Namen der wichtigsten Glasurrohstoffe kennen. Das sind vielleicht 20 bis 30 Stück.
3. Glasurrohstoffe haben unterschiedliche Funktionen im Schmelzprozess. Sie haben verschiedene Schmelztemperaturen und beeinflussen sich gegenseitig.
Wie im Kuchenteig sind manche Stoffe unbedingt nötig und nicht ersetzbar, andere aber austauschbar.
Die wichtigsten Glasurrohstoffe
sind Quarz und Kaolin, die ohne weitere Zusätze allerdings nicht ausschmelzen können.
Daher müssen Flussmittel zugefügt werden. Sie senken den Schmelzpunkt des gesamten Gemischs. Wie stark, hängt von der Auswahl des Flussmittels und der zugefügten Menge ab.
Flussmittel sind vor allen Dingen Feldspate, Boroxid und sogenannte Fritten.
Auch nennen wir hier Kreide, Zinkoxid, Magnesiumoxid, Lithiumkarbonat, Strontiumkarbonat
und einige andere, von denen man nur geringere Mengen einsetzt.
Was dabei ein bischen kniffelig ist: einige Rohstoffe sind sozusagen "pur", andere bestehen aus einer natur-gemachten Mischung mehrerer Grundrohstoffe.
Dieses ganze Zusammenfügen von Rohstoffen ist im Endeffekt so etwas wie die Einladung zu einer Party. Manche Gäste kommen als Singles, andere als Pärchen oder in Gruppen.
Wieviele Leute sind es am Ende?
Auf Keramik übertragen: Als Beispiel nehme ich Quarzmehl. Chemisch SiO2. Das ist ganz eindeutig ein Single, purer Quarz, der Sauerstoff dabei (O2) bleibt außer Acht.
Nun schau dir z.B. Kaolin an. Chemisch Al2O3*2SiO2 . Wenn Du diesen Rohstoff zufügst, hast Du nicht nur Aluminium, sondern gleichzeitig Quarz mit dabei. Du lädst dir also ein Pärchen, bzw. eine ganze Gruppe ein.
Das musst Du in der Gesamtkalkulation im Auge behalten, wenn Du anfängst, keramische Rohstoffe hinzuzufügen oder gegeneinander auszutauschen.
Wirf einen Blick auf die chemischen Formeln deiner Rohstoffe. Du musst sie nicht auswendig lernen. Aber wenn du diesen Formelaufbau verstanden hast, kennst Du die Menge ALLER "EINZELSUBSTANZEN", die deine Glasur enthält. Mit diesem Wissen kannst Du Glasuren VERÄNDERN.
Der nächste Schritt ist, zu lernen, WAS GENAU jeder Rohstoff BEWIRKEN kann.
Z.B. Lithium, damit die Glasuroberfläche ritzhart wird. Oder etwas Talkum hinzufügen, damit die Glasur matter wird. Und so weiter.
Diese Dinge lernst Du nach und nach, wenn Du bestimmte Rohstoffe gezielt einsetzt, die Auswirkungen auf die Glasur beobachtest und dir dazu Lesestoff "reinziehst".
Wenn Du das systematisch machst, bist Du bald in der Lage, Glasuren in deinem Sinne zu verändern.
Sicher ist allerdings, dass Du immer wieder Überraschungen erleben wirst.
Blick in "Keramische Glasuren" von Wolf Matthes
Hier ein Blick in das wohl umfassendste Buch über Glasuren. Ja, ich weiß, manch einer findet es zu "schwierig".
Für mich ist es ein kostbares Nachschlagewerk. Hier lerne ich häppchenweise.
Im linken Bild findest Du Glasurenrezepte. Ich erkläre dir, was Du da siehst.
Links oben: SK 5a/7.....Das ist die Angabe über die Brenntemperatur. Schau also bei "Segerkegeln" nach, was SK 5a und 7 bedeuten.
Dann unter dem Text "halbopak, hochviskos" usw. ist das Glasurrezept als "Segerformel" dargestellt.........Damit kannst Du erst etwas anfangen, wenn Du die Formel des Herrn Seger verstanden hast......ich empfehle, tu das später irgendwann.
Ganz rechts findest Du dann das eigentliche REZEPT. Mengenangaben bei Glasurrezepten beziehen sich immer auf etwa 100 Gramm oder 1 kilo.
Ganz einfach anfangen
Suche dir eine Glasur aus Büchern oder im Internet. Für deine Brenntemperatur.
Kaufe die entsprechenden Glasurrohstoffe bei deinem Fachhändler.
Wiege 100Gramm-Proben ein und brenne sie. (Du brauchst eine Feinwaage)
Sei sicher, dass die Glasur anders wird als beschrieben. Und damit fängt deine Arbeit an,
die Glasur passend zu machen für DEINEN Ton, für DEINEN Brennofen, für DEINEN Geschmack.
Alles, aber auch alles notieren.
Herzlichst Heidi
Aachen Juni 2021