Die Glasur macht Zicken

 

Es ist soweit. Dein Glasurbrand ist gelaufen und inzwischen abgekühlt. Du öffnest den Brennofen, holst deine Keramiken Stück für Stück heraus.

Entzückt, begeistert ob der Resultate?

Oder eher enttäuscht?

 

Die Glasurbilder deiner verwendeten Glasuren sahen doch irgendwie ziemlich anders aus.

Was ist da schief gelaufen, fragst Du dich.

 

Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, was Du da siehst, wenn Du Glasurenfotos des Herstellers siehst:

Ähnlich wie bei Produktfotos von was auch immer, wird dir die bestmögliche Ansicht des Produkts in seinem besten Zustand gezeigt.

 

Die Glasurproben, die Du siehst, zeigen dir ein Resultat, das von Fachleuten gemacht wurde unter den besten Bedingungen und Einsatz von jahrelangem Knowhow.
Es ist die BESTE VERSION, die Du da siehst.

 

Du allerdings arbeitest nicht täglich mit deinen Glasuren und wahrscheinlich erst seit kurzer Zeit.

 

Glasuren sind keine Wandfarben

 

Glasieren scheint inzwischen recht einfach zu sein. Die Streichglasuren sind in breiter Palette erhältlich und die Handhabung wirkt kinderleicht.

Doch hier lauert ein großer DENKFEHLER.

Das Auftragen der Glasur erfolgt mit Pinseln.

Sowas kennst Du ja. Schließlich hast Du zumindest in frühen Jahren Bilder gemalt und später deine Wohnung renoviert.

Sprich, Du hast die Wände deiner Wohnung selbst gestrichen. Wenn der erste Anstrich nicht deckend war, machte man eben einen zweiten. Ganz einfach.

 

Nur sind Glasuren eben KEINE WANDFARBEN.

 

Glasuren sind im Rohzustand zu nichts nütze. Erst durch das BRENNEN im Ofen werden sie zu dem, was sie sein sollen:

glatte, feste Überzüge über den Ton. Chemisch beständig und damit z.B. geeignet für Lebensmittel, gut zu reinigen und natürlich wunderschön.

 

Die immer mehr ansteigenden Temperaturen während des Brennvorgangs "erwecken" sozusagen ein Gesteinsmehl und evtl. vorhandene Metalloxide nach dem anderen zum Leben.

Einzelne Bestandteile fangen an zu schmelzen und regen die anderen Glasurstoffe ebenfalls dazu an. 

Es wird ein Prozess in Gang gesetzt, der nun auch die oberen Schichten deines Keramikgefäßes "annagt" und mit dem Ton in Reaktion tritt.

Farbpignemte werden gelöst, aus dem Ton treten noch Gase aus.

 

Es finden komplexe chemische Veränderungen statt.

Vielleicht vergleichbar mit einem Gruppengeschehen auf social media :-)?

 

Fertig gebrannte Glasuren sind das Ergebnis eines Umwandlungsprozesses. Dabei spielen viele Faktoren, nicht nur Auftragsstärke der Glasur und Brenntemperatur, eine Rolle.

 

Optimale Glasurergebnisse zu erzielen, ist ein Lernprozess.

Das lernst Du nicht in einer Stunde.

Da müssen wirklich Erfahrungen gemacht werden.

 

Hilfreich ist, den ERBSENZÄHLER IN DIR aufzuwecken.

Damit meine ich, alle Brennergebnisse und vor allen Dingen, alles, was Du anders machst beim nächsten Brand, zu dokumentieren.

Aufschreiben, fotografieren. Damit Du gute Ergebnisse wiederholen kannst und nicht wieder die gleichen Fehler machst.

 

Schauen wir uns mal ein paar Missgeschicke an. Manche sind einfach zu beheben, andere erfordern eine Art systematische Detektivarbeit.

Ich setze voraus, dass Du Ton und Glasuren ausgewählt hast, die in ihrer Brenntemperatur zueinander passen. Siehe auch Artikel 17: Glasuren aussuchen

 

Die Glasur ist an mehreren Stellen abgelaufen.

Die Auftragsstärke der Glasur war zu dick ODER die Glasur wurde zu hoch gebrannt.

 

Die Glasur ist an ein oder zwei Stellen abgelaufen.

Das kann passieren, wenn Du deine Keramik jeweils zur Hälfte "tauchst" oder begießt.

Dadurch entsteht ein Streifen Glasur auf dem Gefäß, wo die Glasur in doppelter Stärke liegt.

Du kannst diese doppelte Schicht vor dem Brand im unteren Drittel - vorsichtig - mit dem Töpfermesser etwas dünner kratzen. Die Glasur muss aber getrocknet sein.

 

Deine "Seidenmatt"-Glasur ist ziemlich matt und farblich nicht besonders attraktiv.

Wahrscheinlich ist sie viel zu dünn aufgetragen. Das kann z.B. geschehen, wenn Du die Glasur nicht ständig während des Gebrauchs gut aufrührst. Die schwereren Bestandteile sinken im Eimer nach unten, obenauf steht eine dünne Brühe.

 

Die "Mattglasur" ist glänzend geworden.

Sie wurde wahrscheinlich zu hoch gebrannt.

 

Die "Mattglasur" fühlt sich stellenweise rauh, "schuppig" an. Sie hat stellenweise Krater.

Sie wurde zu dick aufgetragen ODER die "Haltezeit" am Ende des Brandes war nicht lang genug.

 

Die Glasuren fühlen sich etwas rauh an und farblich sind sie auch nicht wie erwartet.

Sie sind noch nicht richtig ausgeschmolzen und müssen etwas höher gebrannt werden. Evtl. 10 Grad höher brennen. Oder ist eine Heizspirale im Ofen defekt?

 

Die Glasur bekommt viele Risse beim Abkühlen. Es klingelt richtig in der Keramik.

Das nennt man Craquelee. Ist eigentlich ein Glasurfehler, den man aber auch mit Absicht einsetzt.

Das sieht ganz schön aus, kann aber bei SteinGUT dazu führen, dass Flüssigkeiten bis zum Ton gelangen und sich Verfärbungen ergeben.

Abhilfe: wenn Du kein eigenes Glasurrezept verwendest, weißt Du nicht, was in der Glasur drin ist. Du kannst somit nichts an der Zusammensetzung verändern. Ton und Glasur passen nicht zusammen, was ihre Wärmeausdehnung betrifft.

Wenn Du das Craquelee nicht magst, nimm eine andere Glasur.

 

Einige Zeit nach dem Brennen platzt an den Kanten deiner Becher und Schalen die Glasur ab.

Auch hier passen Glasur und Ton nicht zusammen. Sie haben zu verschiedene "Wärmeausdehnungskoeffizienten", der sogenannte WAK ist zu klein. Abhilfe siehe oben: nimm eine andere Glasur.

 

Die Glasurfarben sehen irgendwie "schmutzig" aus.

Beim Kauf der Glasur hast Du ein Muster gesehen. Da wurde die Glasur auf hellem oder fast weißem Ton aufgetragen.

Wenn dein verwendeter Ton dunkler ist - und das fängt schon an mit der Tonfarbe "leder", prägt das die Farbe der fertigen Glasur mit. Je dunkler der Ton, umso stärker die Farbveränderung der fertigen Glasur. Will man keine Probleme damit, nimmt man hellen Ton.

 

 

Die Glasuroberfläche hat Bläschen oder Krater.

Was hier los ist, ist am schwierigsten herauszufinden.

Die Glasur kann "überfeuert" sein, also zu hoch gebrannt.

ODER aus dem Ton steigen noch Gase auf und hinterlassen Krater (besonders bei farbigen Tonen). Hier kannst Du versuchen, die "Haltezeit" am Ende des Brandes zu verlängern, etwa von einer Viertelstunde auf eine halbe Stunde erhöhen.

 

 

Leider ist es bei der Fehlerdiagnose von Glasuren in den meisten Fällen NICHT EINDEUTIG, was da nun schief gelaufen sein kann. Schon garnicht, wenn man das keramische Stück nicht anschauen kann.

Meine Vorschläge kannst Du als Anregung sehen, in welche Richtungen Du am ehesten nachforschen kannst.

Mein Tipp: ich würde zumindest anfangs nur mit sehr hellem Ton arbeiten und Seidenmattglasuren verwenden.

Und Lauf- und Effektglasuren links liegen lassen.

 

Herzlichst Heidi

Aachen Mai 2021