Warum brennt man Keramik eigentlich zweimal? Man könnte doch das fertig getrocknete Gefäß
- egal ob gedreht oder aufgebaut - direkt in die Glasur tauchen, Boden abwischen und in den Brennofen stellen.
Schrühbrand und Glasurbrand in einem Aufwasch sozusagen.
Das würde doch Energiekosten sparen und vielleicht Zeit?
Warum teilt man also das Brennen auf in zwei Brennvorgänge?
Als erstes findet der Schrühbrand statt, auch Biscuit- oder Rohbrand genannt. Danach kommen die inzwischen glasierten Stücke in den Glasurbrand / Glattbrand.
Diese Zweiteilung hat überwiegend Vorteile.
Stelle dir einen leckeren Keks vor, den du zusammen mit Kakao / Kaffee genüßlich verspeisen möchtest. Du tauchst ihn ein. Und schafft er es bis in deinen Mund? Oder gibt er nach und landet im Kakaosee? Shit. Da war wohl zuviel Flüssigkeit im Spiel...oder du warst zu langsam? Ärgerlich auf jeden Fall, der Keks ist hin.
Wenn du jetzt den Keks gegen deine wunderschöne getrocknete Keramik austauscht und den Kakao durch Glasur ersetzt, kann dir das gleiche passieren. Das Tongefäß wird durch die Glasuraufnahme weich und damit seeeeeehr empfindlich. Je nach Wetterlage / Raumtemperatur kann es Stunden dauern bis du dein Gefäß wieder anfassen kannst ohne dass es zerbricht. Und du musst es ja anfassen. Einmal um den Boden sauber zu wischen und um es in den Brennofen zu setzen.
Noch nasse Glasurflächen anfassen ist tabu. Das ergibt unschöne Stellen auf der fertigen Keramik.
Bei aufgepinselten Glasuren mag das alles weniger dramatisch sein.
Ein anderer Grund: Wenn du noch nicht viel Erfahrung mit dem Töpfern hast, kann es schon mal sein, dass deine Gefäße noch nicht trocken genug waren zum Brennen oder du irgendwo eine Luftblase eingebaut hast. Das Ergebnis sind Scherben im Ofen. Das ist bei einem Schrühbrand meistens harmlos. Da liegen eben ein paar grobe Tonstücke oder feine Brösel im Ofen, die du einfach aufsammeln oder aufsaugen kannst.
Es kann schon mal ein Nachbarstück davon zerschmettert werden. Aber das ist alles.
Würde aber dein glasierter Topf auseinanderfliegen, da kämest du schon ins Fluchen. Glasur klebt kräftig und verschmilzt mit jeder Kontaktfläche im Brennofen.
Auf dem Nachbartopf (schade), auf den Einsatzplatten (Mist, die Platte muss neu behandelt werden), auf den Ofenspiralen oder als Volltreffer auf dem Temperaturfühler, das macht Arbeit und der Ersatz kostet einiges.
Zuerst schrühen und im zweiten Brand glatt brennen birgt also weniger Risiken.
Und der Arbeitsablauf beim Glasieren ist wesentlich zügiger und weniger nervenaufreibend.
Es ist ein gängiges Verfahren. Viele Keramiker arbeiten so.
So gelingt der Schrühbrand
Deine Keramiken müssen gut durchgetrocknet sein (nasse Keramik zerfällt beim Brennen zu Bröseln)
In einem normal temperierten Innenraum reichen in der Regel zwei Wochen. Der Ton wird heller beim Trocknen und fühlt sich nicht mehr so kühl an.
Die Keramikstücke beim Einsetzen in den Ofen GROSSFLÄCHIG anfassen und nirgends anstoßen.
Rohe, unglasierte Keramik kann gestapelt werden. Es soll sich nur nichts dabei verkanten können.
Zum Beispiel kannst du Schälchen, Becher und Tassen mit gleichem Durchmesser am oberen Rand übereinander stellen. Abwechselnd "richtigrum" und kopfüber.
Die Stücke dürfen sich berühren. Von den Heizspiralen allerdings etwas Abstand halten.
Man kann den verfügbaren Brennraum voll ausnutzen. Brennenergie ist ein Kostenfaktor, es lohnt sich also, den Ofen vollzupacken.
So ähnlich wie Urlaubsprofis ihren Kofferraum füllen.
Jeder Brand muss zunächst LANGSAM aufgeheizt werden, die Feuchtigkeit muss gründlich verdampfen können.
Beim Schrühbrand langsam bis ca. 500 / 600 Grad Celsius. Da findet der sogenannte "Quarzsprung" statt, ein kritischer Moment bei der chemischen Umwandlung von Quarz (und Quarz hast du in jedem Ton). Ist dieser Punkt überwunden, kann der Ofen schneller aufheizen.
Wenn du im Elektroofen brennst, kannst du deine Steuerung dementsprechend programmieren. Das Brennprogramm wird gespeichert und muss dann für den nächsten Brand nicht neu eingetippt werden.
Die Endtemperatur für einen Schrühbrand liegt zwischen 900 und 1000 Grad Celsius. Der Ton ist in diesem Zustand fest, aber noch porös. Das heißt, du kannst deine Keramiken gut anfassen, ohne dass sie gleich zusammenbrechen. Und sie saugen die Glasur gut auf, trocknen aber auch wieder recht schnell.
Eine "Brennkurve" für einen Schrühbrand kann z:B. so aussehen:
Aufheiztemperatur pro Stunde: 120°C / h
bis zu einer Zwischentemperatur, z.B. 480 °C bis 550 °C
eine "Haltezeit" halte ich hier für nicht notwendig.
Danach heizt der Ofen so viel er kann bis zu deiner gewünschten Endtemperatur, z.B. 960 °C.
Dann kann man noch eine "Haltezeit" eingeben, der Ofen bleibt ungefähr auf der Endtemperatur, 15 Minuten reichen meines Erachtens.
Den Ofen je nach Größe 1 bis 2 Tage auskühlen lassen.
Wer es garnicht aushalten kann, guckt bei 150 °C schnell mal rein und macht Tür / Klappe wieder zu. VORSICHT HEISS. Ab 100 Grad kann man den Ofen Spalt um Spalt öffnen.
Na, ist alles heile? Ich wünsche es dir
Herzlichst Heidi
Aachen, Mai 2021